Eierstockkrebs und Polyneuropathie:
Was Sie über Nervenschäden durch Chemotherapie wissen sollten

Manche Frauen leiden während oder nach einer Eierstockkrebstherapie unter Nervenschäden (Neuropathie). Die Ursachen können vielfältig sein. Sowohl der Tumor selbst als auch die Krebstherapie können die Nerven angreifen und dadurch Missempfindungen, Taubheitsgefühle, Schmerzen oder andere Beschwerden auslösen. Häufig ist Neuropathie eine Nebenwirkung der Chemotherapie. Lesen Sie hier, was die Medizin bislang zur Behandlung von (Poly-)Neuropathie weiß und wie Sie Beschwerden lindern können.

Die Themen im Überblick

Was ist Neuropathie bzw. Polyneuropathie?

„Neuropathie“ ist ein Oberbegriff für Erkrankungen der peripheren Nerven. Periphere Nerven sind die Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegen. Wenn die Neuropathie gleichzeitig an mehreren Nerven in unterschiedlichen Körperregionen auftritt, spricht man von „Polyneuropathie“.

Nerven leiten Informationen und Aufträge als elektrische Impulse durch den Körper. Sie dienen somit dem Informationsaustausch im Organismus. Man unterscheidet zwischen sensiblen Nerven, die Informationen von den Sinnesrezeptoren in der Haut, in den Muskeln und in den inneren Organen zum Gehirn weiterleiten, und motorischen Nerven, die vom Gehirn ausgehende Befehle in den Körper weiterleiten.

Was bedeutet Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPN)?

Bestimmte Chemotherapeutika, beispielsweise Platin oder Taxane, die unter anderem in der Eierstockkrebstherapie eingesetzt werden, können die Nervenenden, Nervenzellen oder seltener auch die isolierende Hülle um die Nervenzellfortsätze herum schädigen. Dies hängt damit zusammen, dass Chemotherapeutika nicht nur die Tumorzellen angreifen, sondern auch gesunde Körperzellen. Allerdings hat die Schädigung der Nerven zur Folge, dass der Informationsaustausch zwischen Nervenzellen und Gewebe gestört wird und das Gehirn falsche Signale erhält. Das führt wiederum zu den typischen Neuropathie-Symptomen.

Daneben können der Tumor selbst, Operationen, Bestrahlung, andere Erkrankungen (z. B. Diabetes), eine HIV-Infektion, häufiger Alkoholkonsum, genetische Veranlagung und ein hohes Lebensalter Neuropathie auslösen oder verschlimmern.

Sehr häufig treten die Beschwerden in Händen und Füßen auf. Manchmal können auch andere Körperregionen betroffen sein.


Typische Symptome sind:
  • Kribbeln und Piksen
  • Brennen, Stechen
  • taubes Gefühl in Händen, Fingern und Füßen
  • gestörtes Temperaturempfinden
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Schwierigkeiten beim Greifen
  • Muskelschwäche oder Muskelkrämpfe

Manche betroffenen Frauen spüren die Symptome nur einige Tage, es können jedoch auch Wochen, Monate oder Jahre sein. Bei einigen Patientinnen bessern sich die Symptome zwar nach Beendigung der Chemotherapie, Restsymptome bleiben jedoch lebenslang. Dies ist abhängig vom Chemotherapeutikum und der individuellen körperlichen Reaktion darauf.

Je länger die Beschwerden bestehen, desto schwieriger lassen sie sich in der Regel behandeln.

Deshalb ist es wichtig, die Polyneuropathie so früh wie möglich zu diagnostizieren und gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt zu besprechen, was dagegen getan werden kann.

Neuropathie früh erkennen und behandeln

Damit Nervenschäden frühzeitig erkannt werden, sind regelmäßige Kontrollen vor Beginn der Therapie und nach jedem Behandlungszyklus notwendig. Wenn die Polyneuropathie sehr ausgeprägt ist, kann in Erwägung gezogen werden, den nächsten Chemo-Zyklus so lange aufzuschieben, bis die Beschwerden abgeklungen oder gelindert sind. Alternativ kann die Chemo anstatt in einer großen in mehreren kleinen Portionen verabreicht werden. Allerdings kann sich dies negativ auf die Wirksamkeit der Therapie auswirken. Weitere Möglichkeiten sind, den Wirkstoff, der die Nerven schädigen kann, niedriger zu dosieren oder für eine bestimmte Zeit wegzulassen, oder auf einen anderen Wirkstoff umzusteigen.

Aktuell gibt es einen Wirkstoff, dessen Effektivität bei Chemotherapie-induzierter Polyneuropathie wissenschaftlich belegt ist: Duloxetin, ein Antidepressivum und Schmerzmittel. Andere Schmerzmedikamente, die unter anderem in der Behandlung von diabetischen Neuropathien eingesetzt werden (z. B. Pregabalin, Carbamazepin, Amitriptylin) sind bei vielen Betroffenen auch wirksam und können ausprobiert werden. Aktuelle Studienergebnisse weisen darauf hin, dass Akupunktur ebenfalls sinnvoll sein kann. Darüber hinaus gibt es Salben und Pflaster, beispielsweise mit lokal betäubender Wirkung oder unter Verwendung von Capsaicin (dem Chili-Schoten-Wirkstoff), die für eine Linderung der Symptome sorgen können. Jedoch fehlt bislang auch hier der wissenschaftliche Nachweis.

Kälte und Kompression zur Vorbeugung einer Polyneuropathie

Eine Möglichkeit, Nervenschäden vorzubeugen, ist der Einsatz von Kälte oder Kompression während bestimmter Chemotherapien, zum Beispiel bei einer Behandlung mit Paclitaxel oder Docetaxel. Dabei werden Hände und Füße während der Infusion gekühlt oder leicht zusammengedrückt. Studien zeigen, dass diese Methode das Risiko und die Schwere einer Polyneuropathie verringern kann.

Auch wenn die wissenschaftliche Datenlage noch nicht eindeutig ist, gilt Kälte- und Kompressionstherapie inzwischen als unterstützende Option, die Ärzt:innen mit Patientinnen besprechen können. Seit 2025 findet sich die Anwendung von Kälte und Kompression auch in der aktualisiertem und erweiterten S3-Leitlinie „Supportive Therapie bei onkologischen Patient:innen“

Polyneuropathie: So können Sie Beschwerden lindern

Diese Tipps können Ihnen helfen, die Beschwerden bei Polyneuropathie zu lindern. Probieren Sie aus, was Ihnen guttut. Jeder Mensch empfindet etwas anderes als angenehm:

  • Vermeiden Sie Stress und seien Sie achtsam mit sich selbst.
  • Reizen Sie Ihre Hände und Füße auf angenehme Weise, indem Sie sie massieren, bürsten oder auf einem Igel- oder Massageball rollen.
  • Massieren Sie betroffene Körperregionen mit wohlduftenden Körperölen.
  • Sorgen Sie für eine gute Durchblutung in Armen und Beinen, indem Sie regelmäßig milden Ausdauersport treiben und sich auch im Alltag viel bewegen.
  • Tragen Sie festes und flaches Schuhwerk, um zusätzlich Stürzen vorzubeugen.
  • Tragen Sie lockere Kleidung.
  • Verzichten Sie, wenn möglich, auf Medikamente, die die Nerven zusätzlich schädigen können oder nehmen Sie diese nur nach Absprache mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt ein.
  • Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung.
  • Verzichten Sie auf regelmäßigen bzw. übermäßigen Alkoholkonsum.
  • Wenn Sie Diabetes haben, achten Sie darauf, dass Ihre Blutzuckerwerte gut eingestellt sind.
  • Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus.
  • Bauen Sie Sensibilitäts-, Koordinations- und Gleichgewichtsübungen in Ihren Alltag ein und denken Sie daran, lieber in mehreren kleinen Einheiten als in wenigen großen zu üben.

Experten-Gespräch: Neuropathie & Tastsinn

Wenn sie noch tiefer ins Thema eintauchen möchten, empfehlen wir Ihnen das Video aus der Kreativtour 2022 der Deutschen Stiftung Eierstockkrebs. Hier erhalten sie unter anderem wertvolle Tipps für den Alltag mit Polyneuropathie und eine Übungsauswahl, die Sie leicht in Ihren Alltag integrieren können.

 

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